Kleists Michael Kohlhaas ist eine schillernde Figur, deren Zwiespältigkeit bis heute zur Auseinandersetzung provoziert. Kohlhaas, der „gute Staatsbürger“, erhebt sich selbst zum Racheengel, um einen Provinz-Bonzen zu bestrafen, der mittels Korruption und Seilschaften das Recht ausgehebelt hat. Dieser Kohlhaas, der „entsetzlichste“ Mensch, verwüstet Städte und ermordet Unbeteiligte, weil das „System“ ihm, dem Geschädigten, den Schutz verweigert, unter dem er sein sonst so „friedliches Gewerbe“ betreibt und ohne den er daher bei den „Wilden in der Einöde“ landet. Merle Zurawski pflanzt der KOHLHAAS-Matrix die Themen und Konflikte, Erzählungen und Ästhetik der eigenen Generation ein und bringt sie auf vielschichtige unsentimentale Weise mit dem Heute ins Spiel. Die sprichwörtliche Liebe zu den Pferden greift ein zentrales Motiv der Erzählung mit erweiterter Perspektive auf. Über die durch das Männliche definierte Welt bei Kleist, die als Parcours von Status, Macht, Geld, Terror und Erhalt der Ordnung funktioniert, sampelt Merle Zurawski die Vielstimmigkeit der Geschlechter, der Revolten, der Emanzipation und der Solidarität, die gleichwohl in derselben Wettbewerbs-Arena zur Diskussion stehen.